Geschichte und Architektur
Tradition und Innovation, von 1913 bis heute
Geschichte des Wiener Konzerthauses
Das Wiener Konzerthaus genießt als Veranstaltungsort einen einzigartigen Ruf, der sich auf drei Verdienste gründet: sich mit der Tradition lebendig auseinanderzusetzen, durch ein mutiges Programmangebot neue Publikumsschichten zu erschließen und offen zu sein für neue Entwicklungen. Diese Tugenden begleiten das Konzerthaus seit seinen Anfängen.
Ein Haus für alle
Als man 1890 in Wien von einem zukünftigen Haus für Musikfeste träumte, plante man einen Mehrzweckbau, der breite Bevölkerungsschichten ansprechen sollte – im Unterschied zum traditionsreichen Musikverein.
Die erste Idee kam von dem Architekten Ludwig Baumann: Sein »Olympion« sollte Räume für Konzerte, Eislaufverein und Bicycleclub enthalten und in einer Freiluft-Arena insgesamt 40.000 Menschen Platz bieten. Der Plan zerschlug sich, sein Anliegen aber lebte fort, denn das Konzerthaus, dessen Bau im Dezember 1911 begann, wurde von demselben Ludwig Baumann gemeinsam mit den berühmten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Gottlieb Helmer so angelegt, dass seine drei Säle (Großer Saal, Mozart-Saal und Schubert-Saal) gleichzeitig bespielt werden können, ohne dass die Veranstaltungen einander stören.
Die ersten Jahre
Von Anfang an standen kultureller Zweck und künstlerische Mission des Wiener Konzerthauses fest: »Eine Stätte zu sein für die Pflege edler Musik, ein Sammelpunkt künstlerischer Bestrebungen, ein Haus für die Musik und ein Haus für Wien.« In diesem Geiste wurde das Konzerthaus am 19. Oktober 1913 unter der Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. mit einem feierlichen Konzert eröffnet. Richard Strauss schuf für diesen Anlass sein »Festliches Präludium op. 61«, anschließend erklang Ludwig van Beethovens Neunte Symphonie. Diese Programmzusammenstellung – ein zeitgenössisches Werk und ein Meisterwerk der Vergangenheit – sollte für das Wiener Konzerthaus beispielgebend werden: Traditionsbewusstsein und Innovationsfreude sind bis heute die tragenden Säulen der musikalischen Welt des Konzerthauses, bilden seine künstlerische Identität.
Zwischenkriegszeit
Gesellschaftliche Umbrüche und finanzielle Krisen während der Zwischenkriegszeit haben das künstlerische Profil des Konzerthauses entscheidend mitgeprägt und führten zu einer Vielseitigkeit im kulturellen Angebot des Hauses, die sich aus heutiger Perspektive als wegweisend darstellt. Neben der kontinuierlichen Pflege des klassischen Repertoires finden sich auf den Spielplänen der 1920er- und 1930er-Jahre bedeutende Uraufführungen, Jazz- und Schlagerkonzerte, Lesungen berühmter Literat:innen, spiritistische Vorträge, Veranstaltungen mit Ausdruckstanz, Symposien, Kongresse, Fecht- und Boxweltmeisterschaften.
Die Jahre 1938 bis 1945 waren für das Wiener Konzerthaus von kultureller Verarmung geprägt. Die Wiener Konzerthausgesellschaft, die auch während der Zeit des Nationalsozialismus als eigenständige Institution bestand, stellte sich in den Dienst des verbrecherischen Regimes und beraubte sich damit weitgehend ihrer zentralen Inhalte. Zwar versuchte man mit klassischen Konzertveranstaltungen den schönen Schein einer gediegenen Hochkultur aufrechtzuhalten (freilich mit sehr reduziertem Repertoire), doch diente vor allem der Große Saal als beliebter Veranstaltungsort für die »Bunten Abende« der Organisation »Kraft durch Freude (KdF)«: Mit einem gemischten, unkomplizierten Programm aus Unterhaltungsmusik, Kabarett und artistischen Einlagen sollte die arbeitende Bevölkerung von den immer größeren Schrecken des Kriegsalltags abgelenkt werden.
Neuanfang nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm das Konzerthaus eine wichtige Rolle bei der Wiederbelebung und Erneuerung des österreichischen Musiklebens ein. Rasch wurde es zum führenden Veranstalter zeitgenössischer Musik in Österreich und zur gesuchten Bühne für den internationalen Jazz in Wien. Vom Konzerthaus ins Leben gerufene Veranstaltungsreihen setzten entscheidende Akzente im Wiener Kulturleben. Alte Musik, Jazz und Neue Musik zählen seitdem zu inhaltlichen Schwerpunkten des Konzerthauses und ergänzen seinen künstlerischen Kernbereich – die klassische Musik in der Fülle ihrer Tradition.
Die einzigartige Atmosphäre des Wiener Konzerthauses zieht nicht nur Künstler:innen des internationalen Musiklebens an. Sie bildet auch den Rahmen für zahlreiche andere gesellschaftliche Ereignisse, für Bälle, Konferenzen, Diners, Firmenpräsentationen und -feiern. Das Service im Event-Bereich hat im Wiener Konzerthaus eine lange Tradition, die bis in die 1920er-Jahre zurückreicht. Die breite Palette an Programmen und Angeboten im Wiener Konzerthaus weist hingegen deutlich in die Zukunft. Durch die großangelegte Generalsanierung (1998–2001) ist das altehrwürdige Gebäude auch für die Herausforderungen des dritten Jahrtausends gerüstet.
Generalsekretäre nach 1945
Egon Seefehlner (1946–1961)
Peter Weiser (1961–1977)
Hans Landesmann (1978–1984)
Alexander Pereira (1984–1991)
Karsten Witt (1991–1996)
Christoph Lieben-Seutter (1996–2007)
Bernhard Kerres (2007-2013)
Matthias Naske (seit 2013)
Architektur
Als das Wiener Konzerthaus nach nur zweijähriger Bauzeit im Jahre 1913 eröffnet wurde, gehörte es zu den modernsten Großbauten der Donaumonarchie. Errichtet wurde es von den berühmten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Gottlieb Helmer in Zusammenarbeit mit Ludwig Baumann, und es setzte neue Maßstäbe hinsichtlich Architektur, Besucherfreundlichkeit, Bau- und Haustechnik. In seiner Innenraumgestaltung kam die fast 40jährige Erfahrung der Architekturbüros Helmer und Fellner zum Tragen: Die Foyerbereiche und Stiegenhäuser ermöglichten den ungehinderten Zu- und Abstrom von etwa 4.000 Personen; die drei Säle – alle auf einer Ebene gelegen und dennoch akustisch voneinander unabhängig – konnten parallel bespielt oder auch gemeinsam für eine Veranstaltung genutzt werden; Akustik und Atmosphäre des Hauses waren für ein breites Spektrum kultureller Veranstaltungen ideal; die Anlage und Verteilung der Gastronomie mit Buffets, einem Kaffeehaus und drei Restaurants entsprach allen gesellschaftlichen Ansprüchen eines modernen Konzertbetriebs. Großzügigkeit und Bequemlichkeit der Anlage begeisterten Publikum wie Kritik gleichermaßen, waren sie doch in Wiens traditionsreichem Musikleben bislang unbekannt gewesen.
In architektonischer Hinsicht ist das Wiener Konzerthaus eine Rarität. In ihm verschmelzen Elemente des späten Historismus, des Sezessionismus und des Jugendstils zu einem Ensemble ganz eigener Prägung. Dank der hohen künstlerischen Qualität des Baus gab es im Lauf der Jahre nur wenige Umbauten und Reparaturen, die zudem die Struktur des Hauses weitgehend im Originalzustand beließen. Die Generalsanierung des Hauses (1998–2001) hat es verstanden, sich diesen Umstand zunutze zu machen: Die historische Bausubstanz wurde teils rekonstruiert, teils renoviert, und das Gebäude wurde mit modernster Technik sowie einem vierten Konzertsaal (dem Berio-Saal) ausgestattet. Dem behutsamen Umgang mit dem architektonischen Erbe ist es zu verdanken, dass sich das Wiener Konzerthaus heute zu den modernsten und gleichzeitig traditionsreichsten Konzerthäusern der Welt rechnen darf.