
Teodor Currentzis © Alexandra Muravyeva
musicAeterna orchestra of Perm Opera / musicAeterna chorus of Perm Opera / Currentzis
»Verdi: Messa da Requiem«
Samstag
6
April
2019
19:30 – ca. 21:15 Uhr
Großer Saal
Veranstalter & Verantwortlicher
Wiener Konzerthausgesellschaft
Das Drama der zweifelnden Seele
»Libera me, Domine«, deklamiert der Solosopran frei, aber mit banger Inbrunst: »Rette mich, Herr, vor dem ewigen Tod an jenem Tage des Schreckens.« Das Orchester tritt schneidend hinzu, der Chor wiederholt die Bitte, aber die einsame Frauenstimme fungiert weiterhin als Sprachrohr der Seele. »Zittern befällt mich und Angst«, singt sie und lässt ihre Worte in einem hoffnungsvoll zarten Aufstieg verklingen. Eine lange Generalpause folgt. Dürfen wir mit Gnade rechnen? Doch da explodieren in die Stille hinein wieder die Schrecken des Jüngsten Gerichts – mit brutalen Akkordschlägen, Panik im Chor, in Orchestertrillern züngelnden Flammen und dröhnendem Offbeat der großen Trommel. Nein, so wird es gerade in dramatisch überwältigenden und zugleich tiefgründigen Momenten wie diesem deutlich: Giuseppe Verdi hat seine Messa da Requiem nicht geschrieben, um die Hinterbliebenen zu trösten und das Vertrauen auf ein Leben nach dem Tode zu stärken. Vielmehr fasst er die Glaubenszweifel eines modernen Menschen in Töne.
Schon George Bernard Shaw bezeichnete das Requiem als »Verdis schönste Oper« – ein zweischneidiges Lob. Dabei ist der oft nachgeplapperte Vorwurf der »Weltlichkeit« absurd. Gewiss, Verdi formt den durchwegs wortdeutlich komponierten Text mit dem sicheren Gespür des erfahrenen Opernkomponisten zu einem veritablen Seelendrama für vier Soli, Chor und Orchester – aber das ist nicht nur Ausdruck seiner kirchen- und glaubenskritischen Haltung, sondern erfolgt zugleich musikalisch auf der Höhe seiner Zeit, genau wie zuvor in Renaissance, Barock oder Klassik. Erst die kirchenmusikalischen Restaurationsbewegungen des 19. Jahrhunderts versuchten den vorvergangenen Stil eines Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525-94) als »den alleinseligmachenden Weg zum Lobgesang Gottes« (so Musikwissenschaftler Uwe Schweikert) zu propagieren. Somit reduzieren sich die Einwände vom Kompositions- auf den Vortragsstil – und da machte Verdi seine Wünsche von vornherein klar: »Ihr werdet besser als ich verstehen«, schrieb er an seinen Verleger, »dass diese Messe nicht wie eine Oper gesungen werden darf; folglich werden mich Färbungen, die im Theater gut sein können, ganz und gar nicht befriedigen.«
Und mit bloßer Routine, mit dem reinen Abspulen des Bekannten gibt sich ja auch Teodor Currentzis nicht zufrieden. Im Verein mit ausgesuchten Solisten und nicht zuletzt den bedingungslos auf ihn eingeschworenen Kräften von musicAeterna darf von ihm eine ebenso niederschmetternde wie erhebende Aufführung des viel gespielten Werks erwartet werden. »Meiner persönlichen Erfahrung nach sind es gerade die Dinge, die wir am besten zu kennen glauben, die uns die größten Entdeckungen ermöglichen«, sagt der aus Griechenland stammende Dirigent, der eine betont spirituelle Ader hat und mit seinen elektrisierenden Lesarten ein immer größeres Publikum begeistert. »Das ist wirklich eine Art Mission von mir: vergessen und neu entdecken.« Beste Voraussetzungen, um das Urteil von Brahms über Verdis Requiem zu bestätigen: »So etwas kann nur ein Genie schreiben.«
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